„Wenn der Mensch je eine große Eroberung gemacht hat,
so ist es die, dass er sich das Pferd zum Freunde gewonnen hat“
(Comte de Buffon)
Was Sie von Wildpferden über Ihr Pferd lernen können
Wildpferde sind voller Mythen und stehen seit Jahrtausenden für die endlose Freiheit. Während es vor ein paar Hundertjahren noch „echte“ Wildpferde gab, die nie in Kontakt mit Menschen kamen, sind die Wildpferde, die wir heute kennen, oft verwilderte Hauspferde. Sie nutzten ihre Urinstinkte, die in ihrem Erbgut verankert sind, und sorgten für ihr Überleben in der freien Wildbahn.
Bekannte, freilebende Wildpferdeherden sind z.B. die Mustangs aus Amerika, die eigentlich aus Europa stammen und früher von den Cowboys als Arbeitstiere genutzt wurden. Oder auch die Przewalski-Pferde aus der eurasischen Steppe, die als die „letzten echten Wildpferde“ gelten.
Wildpferde, bzw. Pferde, die in menschenunabhängigen Herden zusammenleben, sind die besten Lehrmeister, um echtes und unverfälschtes Pferdeverhalten zu erlernen. Der Mensch ist ihnen unbekannt und somit auch ihre (Körper-)Sprache. Wir Reiter können viel von wilden Herden lernen, ihre Kommunikationsweisen entdecken, um so auch das Verhalten unserer Pferde sowie ihre Instinkte besser zu verstehen. Von Pferden für Pferde lernen – lassen Sie sich ein auf die Wissenschaft der Pferde, um die Beziehung zu Ihrem Pferd in einen harmonischen Einklang zu bringen.
Die 6 Kommunikationswege der Pferde:
- Körpersprache: Die Mimik, Gestik, Körperspannung, Körperhaltung sowie Körperbewegung gelten als wichtigste Kommunikationsmittel der Pferde. Die Körpersprache der Pferde ist sehr detailverliebt und für das menschliche Auge nicht immer gleich, bzw. leicht erkennbar.
- Berührungen: Mit Stupsen, Kraulen und Anschmiegen zeigt ein Pferd Zuneigung. Treten, Beißen und Schubsen sind dominante Kommunikationswege. Dies dient zum Beispiel in einer dynamischen Herde zur Verteidigung der Rangordnung eines Pferdes.
- Bioenergetisch: Ein Pferd möchte niemals allein sein, sondern braucht immer den Schutz einer Herde. Der Herdentrieb, auch Schwarmintelligenz genannt, ist in der freien Wildbahn ein wichtiger Punkt für das Überleben. Zusammen reagiert eine Herde schnell auf ihre Umwelt und setzt sich z.B. bei Gefahren gemeinsam in Bewegung.
- Übertragung von Emotionen: Pferde sind sehr sensible Tiere. Wenn ein Pferd in der Herde entspannt und zufrieden ist, überträgt sich dieses Gefühl schnell auf die gesamte Herde.
- Laute: In der freien Wildbahn kommunizieren Pferde eher selten über Geräusche, da diese Feinde anlocken könnten. Aber wenn sich Pferde sicherfühlen, blubbern sie zufrieden, halten mit einem gelegentlichen Wiehern die Herde beisammen oder begrüßen sich mit sanften Lauten. Kommt es zu einem Kampf zwischen 2 Hengsten, kann es mitunter sehr laut werden.
- Gerüche: Ein Pferd sendet ständig Gerüche aus. Insbesondere Stuten geben so an, wenn sie gerade in der Rosse sind. Geruchsmarken bieten auch Informationen über Krankheiten oder Ängste eines Pferdes. Ein Mensch riecht diese Gerüche des Pferdes oft nicht, dafür ist unser Geruchssinn zu schwach.
Mit dieser einzigartigen Kommunikation „unterhalten“ sich die Pferde. Sie „sprechen“ über Futterstellen, warnen vor Feinden und Gefahren, sozialisieren ihre Nachkommen, machen ihren Artgenossen klar, ob sie Abstand halten sollen oder näherkommen dürfen und sorgen für eine dynamische und geregelte Rangordnung. Bis heute haben sich diese Kommunikationswege nicht verändert. Auch domestizierte Pferde unterhalten sich im Wesentlichen über Mimik, Gestik sowie Berührungen, sowohl in ihrer Herde als auch mit den Menschen.
Im Herzen bleibt daher auch jedes Hauspferd irgendwie ein Wildpferd. Wenn Sie mit Ihrem Pferd eine harmonische und verständnisvolle Einheit bilden wollen, nutzen Sie die Pferdesprache. Sie werden überrascht sein, mit wie wenig Druck Sie ganze Berge bei Ihrem Pferd versetzen können.
Die Kommunikation der Wildpferde in Ihrem Pferd erkennen und verstehen
Wenn Sie Ihr Pferd noch besser verstehen möchten, stellen Sie Ihre menschlichen Emotionen und Verstand erst einmal beiseite, damit Sie sich voll und ganz auf die Pferdesprache einlassen können. Pferden fällt es am einfachsten, die Kommunikationswege zu nutzen, die ihnen am meisten vertraut sind.
Natürlich können Sie Ihr Pferd auch auf menschliche Kommandos konditionieren und ausschließlich den „menschlichen Kommunikationsweg“ gehen. Aber dies könnte, je nach Pferdetyp, der deutlich umständlichere Weg sein, da viel häufiger Verständigungsprobleme zwischen Ihnen und Ihrem Pferd auftauchen können. Sie sprechen nämlich 2 verschiedene Sprachen – und da Pferde auch Gewohnheitstiere sind, fällt es Ihnen deutlich schwerer von ihren bekannten Verhaltensweisen abzuweichen. Uns Menschen fällt eine solche Umstellung hingehen viel leichter. Und mal ganz ehrlich? Es ist doch toll, neue Sprachen zu erlernen, oder?
Ein „Wir-Gefühl“ entsteht, wenn Sie Ihrem Pferd ein vertrauensvoller, souveräner und verständnisvoller Partner sind, der sein Gegenüber mit Würde und Respekt behandelt – so, wie es auch ein gutes Leitpferd machen würde. Machen Sie sich Gedanken darüber, welcher Typ Ihr Pferd genau ist, an welchem Platz es sich in Ihrer Beziehung am wohlsten fühlt und was es von Ihnen braucht, um sich in Ihrer Gegenwart auch sicher zu fühlen. Dies ist schon der erste und wichtige Schritt, um offen zu sein, mit Ihrem Pferd in seiner Sprache zu kommunizieren. Bilden Sie mit Ihrem Pferd eine Einheit, denn es ist Ihr treuer Begleiter, Freund und Seelenverwandter.
„Man kann nicht nicht kommunizieren“
Dieser griffige Satz stammt vom Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick. Und damit trifft er genau ins Schwarze: Jede Bewegung oder Körperhaltung ist bereits ein Signal an Ihr Pferd. Schon die kleinste Veränderung in der Mimik oder Gestik wird von ihm als Kommunikation aufgefasst. Ihr Pferd reagiert viel schneller auf Ihre Aktionen und nimmt viel mehr wahr als Sie vielleicht meinen. Sollte es daher zu Problemen zwischen Ihnen und Ihrem Pferd kommen, dann reflektieren Sie zunächst Ihr eigenes Verhalten: Sind Sie vielleicht angespannt, abgelenkt oder haben Ihre Körperhaltung verändert?
Pferde sind friedvolle und harmoniebedürftige Riesen. Gehen Sie daher zunächst davon aus, dass Ihr Pferd keine bösen Absichten hat, sondern es Ihnen eigentlich immer Recht machen möchte. Vielleicht gibt es doch einen kleinen Grund, warum Ihr Pferd so reagiert, wie es eben reagiert. Dies ist dem Herdenverhalten in der freien Wildbahn geschuldet, denn dort zählten schon die kleinsten Gesten, um die gesamte Herde vor der lauernden Gefahr zu schützen.
Der Charakter Ihres Pferdes: dominant oder ängstlich?
Im Grunde werden in wilden Herden 4 verschiedene Grundcharaktere beobachtet: Es gibt die dominanten Leitpferde, die kooperative Mitte der Herde sowie die unterwürfigen und ängstlichen Pferde. Der Ursprung dieser 4 Charakterzüge findet sich im Herdenverhalten und in der natürlichen Rangordnung. Jeder Charaktertyp übernimmt dort eine wesentliche Rolle und sorgt so für den Erhalt der Herde.
All diese Charaktere kommunizieren auf unterschiedliche Weise. Auch Ihr Pferd zählt zu einem dieser 4 Grundcharaktere. Das Wesen Ihres Pferdes wird sich im Laufe der Zeit entwickeln – wichtig ist, dass Sie Ihr Pferd mit all seinen einzigartigen Eigenschaften annehmen und damit umgehen können. Und natürlich ist jedes Pferd anders! Der Charakter eines Pferdes kann nicht in Schwarz oder Weiß eingeteilt werden. Dazwischen gibt es ganz viele Nuancen, die Ihrem Pferd zu einem ganz besonderen und einzigartigen Begleiter machen. Wir stellen Ihnen die 4 Grundcharaktere vor und geben Ihnen ein paar Tipps, wie Sie am besten mit Ihrem Pferd kommunizieren.
Das dominante Leitpferd
Charakter des Pferdes
Sehr dominant, selbstbewusst, willensstark, aber auch oft angespannt, ständig auf der Hut, manchmal auch stur und die Verantwortung abgeben fällt ihm schwer.
Ursprung des Verhaltens
Pferde mit einem sehr durchsetzungsstarken Charakter sind in der freien Wildbahn ganz oben in der Rangordnung. Sie sind stark, gewinnen Machtspiele in der Herde und finden so den Weg nach oben. Als Leitpferde beschützen sie ihre Herde und geben den Ton an. Sie haben sich ihren Platz in der Herde hart erarbeitet und geben ihn nicht ohne Weiteres an konkurrierende Pferde wieder ab.
Mögliche Probleme zwischen Mensch und Pferd
Dominante Pferde sind keinesfalls aggressiv oder gefährlich. Sie sind eher angespannt und ständig auf der Hut, da sie ihre Herde beschützen möchten. Wenn Sie dem Menschen nicht vertrauen, verharren sie schnell in ihrer dominanten Rolle. Oftmals sind diese Pferde gar nicht die geborenen Leittiere, sondern übernehmen diese Rolle eher aus Zwang, weil sie keinem anderen, und besonders nicht dem Menschen, diese Position zutrauen. Manchmal nimmt ein dominantes Pferd Sie auch nicht als kompetentes Mitglied der Herde wahr. Warum sollte Ihr Pferd Ihnen vertrauen, wenn es stetig Ihre Kompetenz in Frage stellen muss? Kurzum, das Pferd ist von Ihren Führungsqualitäten einfach nicht überzeugt und nimmt die Zügel lieber selbst in die Hand.
Wenn es in Ihrer Beziehung an gegenseitigem Vertrauen mangelt, kann dies schnell zu brenzligen Situationen führen. Es kann z.B. dazu kommen, dass sich Ihr Pferd immer von Ihnen abwendet, nach Ihnen schnappt oder sogar tritt, wenn der negative Druck zu hoch wird. Dominante Pferde verlassen auch ungern ihre Herde, so dass Ausritte ohne Artgenossen zu einem regelrechten Machtkampf werden können. Da Pferde in diesem Stadium oftmals ihre Kraft einsetzen, können Sie hier nur verlieren. Gehen Sie nicht das Risiko ein, dass Sie oder Ihr Pferd verletzt werden und holen Sie sich unbedingt Hilfe von einem Trainer, der Erfahrungen im Umgang mit dominanten Pferden hat.
Tipps für den richtigen Umgang
- Akzeptieren Sie Ihr dominantes Pferd als positiven und sehr interessanten Charakter. Haben Sie Vertrauen in Ihre eigene Souveränität und zu Ihrem Pferd.
- Zweifeln Sie nicht an Ihren Führungsqualitäten. Haben Sie Ihr Ziel klar vor Augen – egal wie lang der Weg dorthin ist. Ihr Pferd wird diese positive Einstellung anhand Ihrer Körperhaltung wahrnehmen können.
- Dulden Sie kein unerwünschtes Verhalten. Ihr Pferd muss immer einen angemessenen Abstand zu Ihnen halten und darf Sie nicht anschupsen oder sich an Ihrer Schulter schubbeln. Das ist respektlos. Setzen Sie klare Regeln, die nicht nur heute, sondern immer gelten.
- Bleiben Sie konsequent ohne dabei unnötigen Druck aufzubauen. Verlangen Sie daher im Training nur Dinge, die Sie auch bereit sind, durchzusetzen. Auf „Machtspielchen“, die Sie sowieso verlieren würden, sollten Sie sich nicht einlassen.
- Positive Bestärkung zum richtigen Zeitpunkt ist essentiell. Loben Sie Ihr Pferd, sobald es etwas „richtig macht“ und Ihren Anweisungen folgt.
- Bleiben Sie immer fair und sein Sie nicht emotional, wenn Ihr Pferd etwas „falsch macht“ oder seine Grenzen austestet. Nur Fairness schafft langfristig Vertrauen.
Dominante Pferde sind eher für Reiter geeignet, die bereits viel Erfahrung im Umgang mit ihnen haben. Scheuen Sie sich nicht davor, mit kompetenten Trainern zusammenzuarbeiten. Der Trainer unterstützt Sie dabei, diese Herausforderung zu meistern und mit Ihrem Pferd zu einer unzertrennlichen Einheit zusammenzuwachsen.
Das kooperative Pferd in der Mitte der Herde
Charakter des Pferdes
Individuell, freundlich, sehr neugierig, intelligent und stets darauf bedacht, die Herde als Einheit zusammenzuhalten.
Ursprung des Verhaltens
Die kooperativen Pferde sind in der Mitte der Herde anzutreffen. Sie bilden die Basis der Herde und sind wie der „Kleber“, der die ganz besondere Einheit zusammenhält. Sie geben der Herde ein gewisses Gefühl von Sicherheit und Beständigkeit. Durch ihr kooperatives Wesen folgen diese Pferde Ihrem Leittier und haben auch keine Ambitionen, die Leitung der Herde zu übernehmen.
Oft besteht diese Basis aus sehr erfahrenen Pferden, die ihr Können an die jüngere Generation weitergeben. Daher stehen kooperative Pferde in der Regel in der Rangordnung über den Jungpferden.
Mögliche Probleme zwischen Mensch und Pferd
Kooperative Pferde sind sehr friedfertig. Selten passieren wirkliche Schnitzer in der Kommunikation, die das Vertrauen zwischen Mensch und Pferd nachhaltig beeinträchtigen. Vor allem für unerfahrene, aber dennoch feinfühlige Reiter sind kooperative Pferde die perfekten Lehrmeister.
Achten Sie jedoch gut auf die Signale, die Sie aussenden. Ein kooperatives Pferd ist nämlich sehr harmoniebedürftig und sendet selbst überwiegend beschwichtigende Signale, wie z.B. das Senken des Kopfes, Gähnen oder langsame Bewegungen, aus. Es ist überhaupt nicht auf Krawall aus und würde Ihnen daher bei zu viel negativem Druck misstrauen und Abstand von Ihnen nehmen.
Aber auch bei einem zu inkonsequenten und unsicheren Auftreten Ihrerseits kann es zu Problemen kommen. Dies würde von Ihrem kooperativem Pferd als Unterwürfigkeit gedeutet werden, da es dem Verhalten der rangniedrigeren Jungpferde ähnelt. In diesem Fall animieren Sie Ihr Pferd dazu, den dominanteren Part zu übernehmen und seine Grenzen immer weiter auszutesten.
Tipps für den richtigen Umgang
- Vertrauen ist das A und O. Oft gibt es in der Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem kooperativen Pferd einen sehr guten Grundstein, den sie nun durch Konsequenz weiter ausbauen müssen.
- Werden Sie nicht zu „lasch“ und lassen Sie Ihrem Pferd kein respektloses Verhalten durchgehen. Sie müssen der dominante Teil in der Pferd-Reiter-Beziehung bleiben, dabei aber nie zu großen Druck aufbauen.
- Ein selbstbewusstes, positives und faires Auftreten ist essentiell. So zeigen Sie Ihrem Pferd, dass Sie kompetente Führungsqualitäten besitzen und der Herde Sicherheit bieten können.
- Mit schönen Ausritten und abwechslungsreichen Bodenarbeitseinheiten stärken Sie ein harmonisches Miteinander. Haben Sie einfach alles souverän im Griff.
Das unterwürfige Herdenpferd
Charakter des Pferdes
Unterwürfig, devot, friedliebend, befolgt die Befehle des Leitpferdes und vertraut diesem blind, lässt sich schnell verunsichern.
Ursprung des Verhaltens
In der freien Wildbahn sind unterwürfige Pferde rangniedrig. Sie sind meist noch etwas jünger und verlassen sich sowohl auf die Leitpferde als auch auf die kooperativen Pferde. Sie sind stets darauf bedacht, es den anderen Recht zu machen. Durch tiefes Senken des Kopfes verdeutlichen diese Pferde ihre Unterwerfung und ihren Respekt gegenüber Artgenossen.
Mögliche Probleme zwischen Mensch und Pferd
Das unterwürfige Pferd ist stets bedacht, das Richtige zu tun. Sie brauchen viel Sicherheit, Souveränität und Bestätigung von Ihrem Gegenüber. Ist die Situation nicht deutlich, werden sie schnell unsicher.
Achten Sie bei diesem Charaktertypen darauf, dass Sie für sich eine gute Balance zwischen Dominanz und Entgegenkommen finden. Ein andauerndes präsentes Dominanzverhalten Ihrerseits oder zu viel Druck versetzt Ihr unterwürfiges Pferd in eine große Stresssituation. Dieser Stress baut sich immer weiter auf und kann sich dann entweder durch Angst, Resignation oder sogar Aggressivität äußern. Sein Sie daher darauf Bedacht, dass Ihr Pferd bereits mit der Grundeinstellung an Ihre gemeinsame Beziehung herangeht, dass keiner besser für die Führungsrolle geeignet ist als Sie. Sie müssen diesen Status eigentlich nur noch bestätigen, bzw. halten.
Tipps für den richtigen Umgang
- Treten Sie souverän, ruhig und bedacht auf. So zeigen Sie Ihrem unterwürfigen Pferd, dass Sie zurecht die Führung angenommen haben und sich Ihr Pferd auch in brenzligen Situationen immer auf Sie verlassen kann.
- Verbringen Sie viel Zeit mit Ihrem Pferd und bauen Sie Vertrauen auf. Trauen Sie sich ruhig regelmäßig an unbekannte Situationen heran. Ihr Pferd muss sich dabei voll und ganz auf Sie verlassen, was eine noch stärkere Bindung fördert.
- Verzichten Sie auf Bestrafungen oder negative Emotionen, sollte sich die Leistungsdynamik zwischen Ihnen und Ihrem Pferd einmal verschieben. Bleiben Sie fair und reflektieren Sie zunächst Ihr eigenes Verhalten. Vielleicht gab es eine Situation, in der Sie die Verantwortung ganz unbewusst auf Ihr Pferd übertragen haben?
- Nutzen Sie niemals die Unterwürfigkeit Ihres Pferdes aus. Die Unterwürfigkeit ist bereits ein großer Akt des Vertrauens. Nehmen Sie seine Unterwürfigkeit daher zur Kenntnis und „reiten“ Sie nicht ständig auf Ihrer gehobenen Position herum.
Das ängstliche (Jung-)Pferd
Charakter des Pferdes
Sehr schüchtern, zurückhaltend, angespannt, nervös, ängstlich und schreckhaft, aber dennoch friedfertig und harmoniebedürftig, hat zudem einen ausgeprägten Fluchtinstinkt.
Ursprung des Verhaltens
Während die kooperativen Pferde noch ganz entspannt grasen und die unterwürfigen Pferde sich ganz nach ihrem Leitpferd richten, zucken die schreckhaften Pferde schon bei dem kleinsten Geräusch zusammen. Der Fluchtinstinkt ist tief im Erbgut dieser Pferde verankert und sehr stark ausgeprägt. Neue und ungewohnte Situationen versetzen sie schnell in Stress. Ängstliche Pferde brauchen sehr viel Ruhe, Routine und eine starke Führung, von der sie sich beschützt fühlen. Je mehr positive Erfahrungen ein ängstliches Pferd sammelt, desto weniger gerät es in unbekannten Situationen in Panik. Daher sind oft die Jungpferde diesem Charakter zuzuordnen. Dennoch kann es sein, dass auch ein älteres Pferd ein sehr sensibles Wesen mit sich bringt und sehr ängstlich oder nervös ist.
Ängstliche Pferde sind in der unteren Rangordnung zu finden. In einer gut funktionierenden Herde fühlen sich diese Pferde am wohlsten und können sich entspannen.
Mögliche Probleme zwischen Mensch und Pferd
Für Pferde mit diesem Charakter ist Sicherheit der wichtigste Punkt. Ist die Herde ruhig und strahlt das Leitpferd Sicherheit aus, kann sich auch ein ängstliches Pferd entspannen. Ängstliches Pferde sind sehr sensibel, stressanfällig und lassen sich schnell aus der Ruhe bringen.
Wenn Sie selbst unsicher, ängstlich oder gestresst sind, übertragen sich diese negativen Emotionen auf Ihr sensibles Pferd. Treffen Sie zusätzlich auch noch auf neue und ungewohnte Situationen, kann Ihr Pferd sehr heftig reagieren. Wenn Sie Ihre Ruhe und Souveränität hier nicht bewahren, können Sie Ihr hochsensibles Pferd nur schwer bis gar nicht beruhigen. Werden Sie in diesen Situationen unfair, emotional, laut oder gar grob, kann die Situation schnell eskalieren. Ihr Pferd wird versuchen, sich loszureißen, damit es fliehen und sich der Situation entziehen kann.
Tipps für den richtigen Umgang
- Arbeiten Sie an der Kontrolle Ihrer eigenen Emotionen und an Ihrem Auftreten. Ein ängstliches Pferd benötigt nämlich einen einfühlsamen, ausgeglichenen, ruhigen und sehr souveränen Partner. Signalisieren Sie Ihrem Pferd, dass es keine Angst haben muss – weder vor Ihnen noch vor unbekannten Situationen.
- Sie dürfen auch mit kleinen Dingen zufrieden sein. Gehen Sie mit Ihrem Pferd spazieren, putzen Sie es ausgiebig oder verbringen Sie einfach mal gemeinsam Zeit auf der Weide. Dies stärkt nicht nur die Bindung, sondern auch das Vertrauen.
- Integrieren Sie Schritt für Schritt regelmäßig neue Übungen und kreieren Sie weitere Alltagssituationen. Starten Sie erst mit neuen Übungen, wenn Ihr Pferd gelassen mit der vorherigen umgehen kann. Gehen Sie wieder einen Schritt zurück, sollten Sie der Meinung sein, die Übung überfordert Ihr Pferd zu stark.
- Ganz wichtig: Bestärken Sie Ihr Pferd nicht in Angst- und Gefahrensituationen, sondern behandeln Sie diese ganz alltäglich. Es lernt so, dass diese Ereignisse nichts Besonderes sind, weil Sie als souveräner Leiter keine Angst und auch sonst keine Emotionen zeigen.
- Holen Sie sich zu Beginn Unterstützung eines ausgeglichenen Artgenossen, wenn Sie z.B. ins Gelände gehen wollen. Damit können Sie Ihrem ängstlichen Pferd ein noch besseres Sicherheitsgefühl bieten.
- Holen Sie sich Unterstützung von einem erfahrenen Trainer. Er wird Ihnen helfen, negative Gefühle wie Angst, Unsicherheit und Angespanntheit in den Griff zu bekommen und Sie dabei unterstützen, dass Sie in Stresssituationen richtig reagieren.